Heiko Postma


„Und darf nur heimlich lösen mein Haar...“
über die Dichterin
Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848)


Sie war schon jenseits der vierzig und seit kurzem auch eine „gedruckte“ Dichte-
rin, als sie von einem wahren poetischen Schaffensrausch erfasst wurde - als ihr
die „Gedanken und Bilder“, wie sie schrieb, förmlich „gegen den Hirnschädel“
pochten und „mit Gewalt ans Licht“ drängten. Und „gleich einer Mänade“ mit
sturmdurchwühlten Locken kam sie sich vor, als sie im Herbst des Jahres 1841,
zu Gast bei ihrer Schwester in Meersburg, auf dem Turm des alten Schlosses
stand und in ihrer Phantasie zu wahrhaft tollkühnen Flügen aufbrach: Annette
von Droste-Hüshoff, die in jenen Tagen ihre ausdrucksstärksten Gedichte schuf.
Allein, selbst in dieser euphorischen Stimmung (und mit einem jungen Litera-
ten an ihrer Seite, in dem sie ihren seelenverwandten „Dioskuren“ sah), ließ sie
sich doch von ihrer Lebenswirklichkeit einholen, weshalb dann auch ihr großes
Poem „Am Turme“ mit den resignativen Versen endete: „Nun muß ich sitzen so
fein und klar,/ Gleich einem artigen Kinde,/ Und darf nur heimlich lösen mein
Haar/ Und lassen es flattern im Winde.“
Und so hat diese Anna Elisabeth Reichsfreiin von Droste zu Hülshoff zeitlebens,
pflichtbewusst, die ihr zugefallenen „Rollen“ gespielt: als Frau; als Tochter; als
Schwester und ledige Tante; nicht zuletzt als Aristokratin und als Katholikin.
Doch wenn sie sich an ihren Schreibplatz zurückziehen (und gleichsam „heim-
lich ihr Haar lösen“ konnte), dann verwandelte sie sich in eine Dichterin - dann
entstanden ihre spukhaften Balladen und ihre schaurig düsteren Moor- und
Heidebilder, ihre inbrünstigen, gleichwohl von tiefen Glaubenszweifeln durch-
zogenen geistlichen Lieder und ihre bezwingenden Prosastücke wie die „Juden-
buche“ oder der - leider Fragment gebliebene - Roman „Bei uns zu Lande auf
dem Lande“, die herrlich humorvolle Schilderung ihrer westfälischen Heimat
(und ihrer Familie).
An diesem Literarischen Abend entwirft Heiko Postma ein Porträt der Autorin
und wird dabei, versteht sich, auch allerlei aus ihren Werken vortragen.

Sonntag, den 6. November 2022
Beginn: 11.15 Uhr („Matinée in der Pfortmühle“)
Eintritt: 7,- € für Mitglieder (sonst 12, - €)

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